Unterorganisation des Sozialverband Deutschland im Landesverband Schleswig-Holstein e. V.

E-Scooter in Linienbussen

Mitnahme verweigert

Aus Sicherheitsgründen müssen die Elektrofahrzeuge bestimmte Vorgaben erfüllen. Das regelt ein neuer Erlass, der am 1. Juli in Kraft getreten ist. Betroffene wurden nicht informiert.

Ein neuer bundesweit verbindlicher Erlass der Länder regelt die Mitnahme von sogenannten E-Scootern in Linienbussen – mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen. Der Erlass ist seit dem 1. Juli in Kraft, und das bedeutet, dass nur noch die E-Scooter mitgenommen werden, die über einen entsprechenden Aufkleber verfügen. Der Aufkleber besagt, dass dieser E-Scooter für die Mitnahme im Linienbus geeignet ist. Doch die Betroffenen wissen gar nichts von der neuen Verordnung und werden plötzlich nicht mehr im Bus des Stadtverkehrs mitgenommen.

So auch Helma Rönfeld aus Schlutup. „Ich habe seit zehn Jahren einen E-Scooter und wurde bisher immer mitgenommen. Jetzt plötzlich durfte ich nicht mehr mitfahren“, erklärt sie empört. Sie wollte eigentlich nur zur Fußpflege nach St. Lorenz fahren. Nachdem der Busfahrer die Mitnahme verweigerte, informierte sie als Mitglied im Sozialverband Deutschland (SoVD) den Schlutuper Ortsverbandsvorsitzenden Lorenz Friedrich, der gleichzeitig auch Kreisvorsitzender des SoVD Lübeck ist.

Der fiel aus allen Wolken. „Wir wurden als betroffener Verband nicht über die neue Verordnung informiert“, beklagt sich der Kreisvorsitzende. „Hier geht es um die Teilhabe von beeinträchtigten Menschen am öffentlichen Leben.“ Im Falle von Helma Rönfeld bedeutet das, dass sie nun nicht mehr allein zum Arztfahren, geschweige denn Bargeld abheben kann. „In meine Bank hier in Schlutup komme ich mit dem E-Scooter nicht hinein. Ich muss also mit dem Bus zum Kaufhof fahren“, klagt die 79-Jährige.

Sie hat zwar auch einen Rollstuhl zuhause, doch dafür benötigt sie Hilfe. Mit ihrem Behindertenausweis, der zwar eine Gehbehinderung (G), aber keine außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) bescheinigt, erhält sie auch keinen Taxibeförderungsschein von der Krankenkasse. Jetzt hat sie einen neuen E-Scooter beantragt, doch der hat eine Lieferzeit von drei Monaten. „Wenn die Betroffenen rechtzeitig informiert worden wären, hätten sie sich schon vorher darum kümmern können“, kritisiert Friedrich unter anderem die Krankenkassen, die die meisten E-Scooter auf Verordnung finanzieren.

Grundsätzlich dienen diese E-Scooter eigentlich dafür, die Gehfähigkeit eines Menschen wiederherzustellen. „Alles, was ich zu Fuß erledigen kann, also die Apotheke oder den Supermarkt um die Ecke zu besuchen, das soll mit dem Gerät erledigt werden können. Das hat aber nichts mit dem Busfahren zu tun“, klärt Dettfred Pischke vom Sanitätshaus Schütt & Grundei auf. Deshalb seien die Gefährte auch auf eine Geschwindigkeit von sechs Stundenkilometern beschränkt.

Stadtverkehrssprecherin Gerlinde Zielke bedauert die Informationspolitik außerordentlich. „Das ist schlecht gelaufen“, gesteht sie ein. „Bisher haben wir das sehr kulant gehandhabt, aber es ist jetzt eine rechtliche Vorschrift, und es gibt keine andere Möglichkeit mehr“, erklärt sie. „Wir haben alle Busse gekennzeichnet, die diese E-Scooter mitnehmen können. Aber die Hersteller müssen auch ihre Hausaufgaben machen.“

Mit dem neuen Erlass sollte Klarheit geschaffen werden, welche Mindestanforderungen ein E-Scooter für die Mitnahme in Linienbussen erfüllen muss. Sorge war, dass die Gefährte umkippen und dabei auch andere Fahrgäste verletzen könnten. Auch geeignete Bremsen sollen die Gefährte aufweisen. In vielen Städten wurden daher gar keine E-Scooter mehr transportiert. Gemeinsam mit Behindertenverbänden folgte nach langer Diskussion schließlich im März 2017 ein Erlass zur einheitlichen Beförderung von E-Scootern in Bussen. Dieser ist am 1. Juli in Kraft getreten. Der Stadtverkehr hat dazu einen Flyer herausgebracht, der über diesen Erlass informiert.

 

Bild und Texte mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung von Frau Anja Hötzsch/wochenspiegel

> Artikel im wochenspiegel vom 25.7.2018